Zivilgesellschaft

In Brandenburg gibt es eine vielfältige Zivilgesellschaft, die in ganz unterschiedlichen Bereichen aktiv ist. Sie ist Ausdruck von Demokratie im eigentlichen Sinne: Menschen haben an gesellschaftlichen Auseinandersetzungen teil und fordern Mitgestaltung nicht nur ein, sondern praktizieren sie ganz selbstverständlich. Diese Zivilgesellschaft ist weltoffen, selbstbewusst und engagiert. Wir stellen Ihnen einen kurzen Ausschnitt dessen vor, was und wen wir mit der Brandenburger Zivilgesellschaft meinen:

Selbstorganisierte Jugendzentren

In Brandenburg haben sich seit 1990 Jugendliche immer wieder in unabhängigen Jugendinitiativen zusammengefunden, um eine aktive, demokratische Jugendkultur zu entwickeln und selbst herauszufinden, wie Mitbestimmung in der Praxis funktioniert. Aus kleinen Initiativen sind vielerorts selbstorganisierte Jugendzentren entstanden, von denen einige schon über 18 Jahre lang wichtige ehrenamtliche Arbeit im Land Brandenburg leisten. Inzwischen gibt es in fast jeder größeren Brandenburger Stadt mindestens einen solchen aktiven Träger: in Frankfurt/Oder und Brandenburg, in Neuruppin und Cottbus, in Potsdam, aber auch in Bernau, Strausberg, Falkensee und in anderen Orten. Es mag zwar wenige Jugendliche in Brandenburg geben, aber die wissen dafür, was sie wollen.

Außerschulische Bildung

Außerschulische Bildungsarbeit ist in Brandenburg notorisch unterfinanziert, leistet aber dennoch einen enormen Beitrag zur Entwicklung einer demokratischen Zivilgesellschaft. Viele Träger der außerschulischen Bildungsarbeit scheuen weder die schlechte Bezahlung noch die langen Fahrtstrecken, die Bildungsarbeit im ländlichen Brandenburg mit sich bringt. Mit viel Enthusiasmus haben sie sich zum Ziel gesetzt, mit ihrer Arbeit Horizonte zu öffnen, Begegnungen zu ermöglichen und Gestaltungsspielräume aufzuzeigen, in denen Demokratie verstanden, erkämpft und gelebt werden kann. Von A wie Antirassismus bis Z wie Zukunftswerkstatt gibt es wohl kaum ein Thema in der Bildungsarbeit, das in den letzten Jahren nicht von einem der unabhängigen Jugendbildungsträger aufgegriffen wurde. Allein die im Demokratischen JugendFORUM Brandenburg organisierten Träger haben im Jahr 2010 mehr als 120 Jugendbildungsveranstaltungen mit mehr als 2.300 Teilnehmern organisiert

Hausprojekte

Im Land Brandenburg gibt es über 70 Zentren für zivilgesellschaftliche Projekte ganz unterschiedlicher Art: Neben selbstorganisierten Jugendzentren gibt es zahlreiche Bürger-Projekthäuser, alternative Wohnprojekte, Kommunen, Mehrgenerationenhäuser oder auch Landprojekte. Sie bieten hunderten von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Initiativen Raum für Projektarbeit, technische Unterstützung und Know-How, garantieren soziale Mieten und gesellschaftliche Teilhabe, integrieren benachteiligte Menschen und erproben solidarische Lebensformen. Auch wenn der Lebensstandard in Brandenburg gerade in ländlichen Regionen zuweilen niedrig ist, unser Motto bleibt: Arm, aber solidarisch!

Friedensbewegung in Brandenburg

Kriege spielten in der Geschichte Brandenburgs eine leider viel zu große Rolle. Der preußische Militarismus prägte und formte Brandenburg hunderte Jahre lang. Vielleicht hat sich gerade deshalb in den letzten zwanzig Jahren eine Friedensbewegung in Brandenburg entwickelt, die sich gegen Militarismus und eine Präsenz von Militär im gesellschaftlichen Leben stark macht. Nicht nur gegen das ehemals geplante Bombodrom oder den aktuellen Afghanistan-Krieg mobilisierten und mobilisieren sich viele Bürgerinitiativen und Friedensgruppen. Auch öffentliche Gelöbnisse, Militaria-Vereine oder aber die allgemeine Wehrpflicht wurde immer wieder kritisiert. Die Initiativen und Vereine sind vielfältig und reichen vom „Brandenburger Landesverband der bundesdeutschen Organisation von Kriegs- und Militärgegnern – BamM!-DFG/VK“, Bürgerinitiativen wie die „Freie Heide“, der „Pro Heide“, der „Friedensinitiative Kyritz-Ruppiner Heide“, der „Sichelschmiede“ und der Gruppe “Alltag und Krieg“, über lokale Gruppen wie die „Friedenskoordination Potsdam“ und die „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“, bis hin zu den Organisatorinnen und Organisatoren des alljährlichen Strausberger Friedensfestes.

Kultur in Brandenburg

Burkhard Jungkamp, Koordinator des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“, hätte die Bedeutung von Kunst und Kultur für jede demokratische Gesellschaft nicht besser zusammenfassen können: „Gerade in der kulturellen Vielfalt, die eine Gesellschaft ermöglicht und zulässt, kommt ihr humaner Anspruch zum Ausdruck“, so Jungkamp, „so sind denn auch Kunst und Kultur wesentliche Grundlagen für eine starke und lebendige Demokratie im Land Brandenburg.“ Kunst und Kultur sind in Brandenburg an unerwarteten und abgelegenen Orten zu finden. Ob im Kulturverein oder im Jugendzentrum, im selbstorganisierten Theater im Freien, in selbständig betriebenen Programmkinos oder in Ausstellungen in anderweitig nicht mehr genutzten Kirchen – gerade die Vielfalt macht eine demokratische Kultur aus. In Brandenburger Jugendzentren sind dabei Streetart und Graffiti ein ebenso selbstverständlicher Teil von Jugendkulturen wie Punkmusik und Electro. Und das ist auch gut so.

Migrantinnen und Migranten in Brandenburg

In Brandenburg leben außergewöhnlich wenige Menschen nicht-deutscher Herkunft. Gleichzeitig gibt es in unserem Bundesland immer noch Regionen, in denen sich Migrantinnen und Migranten schnell unwohl fühlen können: Alltagsrassismus und Diskriminierung, Präsenz von Neonazis oder schlichtweg Fremdenfeindlichkeit prägen vielfach den Alltag. Asylsuchende Flüchtlinge sind dabei in Brandenburg in einer besonders prekären Lage: Zu oft gegen ihren Willen und teilweise auch ohne Zustimmung der lokalen Bevölkerung werden sie in Sammelunterkünfte in Brandenburg verteilt und leben dort abgeschnitten von gesellschaftlicher Beteiligung und kultureller Begegnung, häufig über Jahre hinweg, bis ihr Asylverfahren entschieden wurde. Um diese Situation zu verändern, gibt es Gruppen in Brandenburg, die aktiv sind gegen Diskriminierung und Rassismus, gegen Abschiebung von Flüchtlingen und für mehr Rechte und ein Leben in Würde für Asylsuchende. Viele dieser lokalen und regionalen Initiativen – von selbstorganisierten Flüchtlingsgruppen bis zu kirchlichen Organisationen – sind im Flüchtlingsrat Brandenburg vernetzt und engagieren sich seit Jahren für ein demokratisches Leben in Brandenburg.

Aktiv für Demokratie, aktiv gegen Neonazis

Leider gibt es auch in Brandenburg neonazistische Organisationen und Gruppierungen – von diversen lokalen oder überregionalen Kameradschaften bis zur NPD reicht das Spektrum antidemokratischer Strukturen. Aber in Brandenburg existiert gleichzeitig eine weit bekannte Praxis von aktiver Gegenwehr gegen solche Bestrebungen. Neben lokalen Antifa-Gruppen stellen sich viele Bündnisse verschiedener Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen entschlossen Neonazis in den Weg und werden aktiv gegen Rechts. Eine Großzahl von ihnen hat sich im landesweiten „Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ zusammengeschlossen. Mithilfe eines breiten demokratischen Konsens konnten in der Vergangenheit beachtliche Erfolge gegen Alt-und Neonazis erzielt werden: So wurden neonazistische Großdemonstrationen wie in Halbe gestoppt und abgeschafft, aber auch ein Einzug der NPD in den Landtag bislang verhindert. Auch der im Sommer 2010 von der „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ organisierte Demo-Marathon durch sieben Städte, ein regionaler Neonazi-Organisierungsversuch, konnte von dem breiten Bürgerbündnis „Brandenburg nazifrei“ verhindert werden.

Ökologie

Brandenburger interessieren sich für Ökologie: Es entwickeln sich Bürgerinitiativen gegen eine Schweinemastanlage, gegen die Lagerung von CO2, gegen die Nutzung von Feldern für gentechnische Versuche oder zum Castor-Transport, der immer wieder auch durch Brandenburg rollt. Die Breite der Projekte ist vielfältig und reicht von Kunstprojekten, die die Natur aktiv einbeziehen wollen, über ökologische Bauernhöfe, bis hin zu Kommunen, die Alternativen vorleben und anregen, darüber nachzudenken, in welcher Gesellschaft wir leben wollen.

Solidarische Ökonomie in Brandenburg

Es gibt in Brandenburg eine Vielzahl von solidarisch wirtschaftenden Unternehmen. Dabei geht es den mitwirkenden Menschen vor allem um gegenseitige Unterstützung und ökologisches Bewusstsein. Zu den Alternativkonzepten zählen beispielsweise Tauschringe, die in Orten wie Schönwalde, Reichenow, Zossen und Templin organisiert sind. Durch das einfache Prinzip von „Geben und Nehmen“ entsteht eine soziale Nachbarschaftshilfe, die so weit wie möglich versucht, ohne Geld auszukommen. Dieses Konzept bietet sozial Schwachen wie Arbeitslosen und Geringverdienern die Möglichkeit, kunsthandwerkliche Dienstleistungen, Serviceleistungen oder materielle Güter jeglicher Natur in Anspruch zu nehmen, die sie sich sonst nicht leisten könnten.

Sport im Verein

Oftmals sind es Sportvereine, in denen vom frühen Kindesalter an solidarischer Zusammenhalt und Teamgeist statt Ausgrenzung vermittelt werden. Einige lokale Vereine hatten oder haben mit Unterwanderungsversuchen durch Neonazis zu kämpfen, andere spüren die Schwierigkeit, in einer immer mehr auf Konkurrenzdenken und berufliche Karriere orientierten Gesellschaft Kinder und Jugendliche für sportliches Miteinander begeistern zu können. Doch die vielen ehrenamtlichen Übungsleiter und Vereinsmitglieder lassen sich nicht beirren und sind ein wichtiger Faktor in der Brandenburger Vereinslandschaft – an vielen Orten aktiv gegen Neonazis und aktiv für ein solidarisches Miteinander.