Aus Überzeugung eingetreten - aus Überzeugung ausgetreten

Ende der 1980er Jahre, kurz vor dem Fall der Mauer, trat Marieta Böttger der CDU in Eberswalde bei. Das war damals für sie eine Möglichkeit, sich kritisch zu äußern, Stellung zu verschiedenen Themen zu beziehen und sich nicht immer rechtfertigen zu müssen für ihre christliche Einstellung. Die Feindseligkeiten gegenüber ihrer Religion machten ihr oft zu schaffen und als Teil einer christlichen Partei fühlte sie sich respektiert und hatte gleichzeitig die Möglichkeit, sich in politische Prozesse einzubringen. Die Politik der CDU in Brandenburg führte Frau Böttger jedoch alsbald zum Ausstieg aus der Partei.



Interviewer: Liebe Frau Böttger, wir freuen uns sehr, dass Sie Zeit gefunden haben für ein kurzes Interview zu ihren Beweggründen, das Parteibuch der CDU wieder abzugeben. Sie arbeiten schon seit vielen Jahren als Integrationsbeauftragte im Landkreis Barnim und sind über die Landkreisgrenzen für ihr Engagement bekannt. Warum haben Sie dieses Amt übernommen?

Marieta Böttger: Nach dem politischen Umbruch gab es viele Möglichkeiten, sich neu zu orientieren. Aus der eigenen Familiengeschichte, meine Eltern sind damals aus dem heutigen Polen geflüchtet, hatte mich das Thema Migration schon immer berührt und als mir die Möglichkeit geboten wurde, mich in die Gestaltung grundlegenden Integrationsangebote in Eberswalde einzubringen, empfand ich das als wichtige Herausforderung.

I.: Was macht ihre Arbeit als Integrationsbeauftragte aus?

M.B.: Neben dem Aufbau grundlegender Strukturen zur Beförderung von Integration in den Anfängen bemerkten wir schnell, dass wir auf tief verankerte mentale Strukturen trafen. Tief verwurzelte Vorurteile und rassistische Ressentiments traten uns entgegen. Es waren nicht nur Gedanken, sondern dieser Hass wurde auch vollstreckt, wie der brutale Tod an Amadeu Antonio im Jahre 1990 zeigte. Das war ein schwerer Schock. Die Unterstützung von Zuwanderern im Alltag, wie auch eine öffentliche Auseinandersetzung gegen Rassismus und Diskriminierungen wurden unsere Aufgabenfelder.

I.: Wenn man an Kampagnen wie "Kinder statt Inder" denkt oder an die Diskussion um eine "deutsche Leitkultur", deckt sich das ja nicht unbedingt mit der Politik der CDU, wie sind Sie damit klargekommen?

M.B.: Ich bin in einem christlichen Elternhaus groß geworden, in dem christliche Werte wie Toleranz und Nächstenliebe sehr wichtig waren. Der Eintritt in die CDU gab mir damals die Möglichkeit, dafür einzustehen und mit meiner religiösen Einstellung für demokratische Werte zu streiten. Dabei waren mir der Respekt gegenüber anderen Religionen und die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit immer ein sehr wichtiges Anliegen. Menschen müssen in ihren religiösen und kulturellen Eigenheiten akzeptiert werden und die Chance haben, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Die Politik, die die CDU mit den genannten Kampagnen verfolgt hat, bis hin zu ihrer Auseinandersetzung um das Zuwanderungsgesetz, hat mich tief enttäuscht.

I.: Es gab damals nicht selten Stimmen, die von einem Rechtsruck der CDU sprachen, und öffentliche Kampagnen wie die benannten versuchen meist, den rechten Wählerrand abzuholen. Konservative und neu-rechte Positionen verschmelzen dabei oft und Parolen wie man sie von REP, NPD und DVU gewohnt ist, hielten Einzug in die politische Landschaft der CDU. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht, und was hat das für Sie bedeutet?

M.B.: Die Themen Zuwanderung und Migration sind oft sehr schwierige Themen, vor allem in Brandenburg, das eigentlich eine lange Zuwanderungsgeschichte hat. In Gesprächen mit CDU-Mitgliedern bin ich oft auf Unverständnis getroffen, und nicht selten musste ich mir anhören, dass meine Vorschläge und Forderungen, wie beispielsweise eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, nicht mehrheitsfähig wären und keine Wählerstimmen bringen würden. Ich denke aber, eine Politik, die nur mit der Angst von Menschen spielt, anstatt sich mit gesellschaftlichen Realitäten auseinander zu setzen, geht in die falsche Richtung. Ausländerhass und Islamphobie sind keine Grundlage für eine demokratische Politik. Wir müssen weg von Stigmatisierungen und plakativen Sprüchen und einen demokratischen Diskurs über gesellschaftliche Realitäten anstreben. Die Debatten um Migration und Zuwanderung, die von der CDU bisher lanciert wurden, gehen dabei definitiv in die falsche Richtung! Diese Politik konnte ich auch nicht weiter unterstützen und bin aus Überzeugung, dass diese Politik nicht zielführend ist, wieder ausgetreten.

I.: Was halten sie von der Initiative "5 Euro für Zivilgesellschaft und gegen CDU-Populismus", die Gisela Müller gestartet hat?

M.B.: Ich finde sie interessant und teilweise auch amüsant. Nicht alles, was dort kritisiert wird, sehe ich auch so. Die Rolle von Herrn Petke, seine populistischen Aussagen sind durchaus ein Grund, das Ganze sehr kritisch zu betrachten, denn der Übergang zur rechtsextremen Szene ist da fließend. Wenn Herr Petke und Co. über Leitkultur schwafeln, könnte manches davon auch von der NPD stammen.

I.: Was für eine Politik verfolgt die CDU mit rechtspopulistischer Stimmungsmache?

M.B.: Ich kann das nicht so gut beurteilen, würde aber sagen, dass die CDU sich sehr lange schwer getan hat mit dem Thema. Jetzt bin ich sehr überrascht, was eine CDU - Bundesregierung inzwischen alles bewegt hat, selbst beim Flüchtlingsthema gibt es Entwicklungen, wenn auch immer noch Wünsche offen bleiben. Es sind eher die besonders Konservativen in der Partei, zu denen eben auch Petke gehört, die mich abschreckten, weiter dort Mitglied zu sein. Damals gehörte auch unser Innenminister, Herr Schönbohm, dazu. Auf Grund der Landespolitik des CDU bin ich ausgetreten!

Insgesamt tut sich die CDU bundesweit mit dem Thema "Islam" schwer. Das ist ja auch kein leichtes Thema, wenn man allein an die Rolle der Frauen denkt. Es ist aber auch kein Thema für populistische Stimmungsmache, auch hier sind die Grenzen fließend. Man denke an den Aufschrei nach der Rede von Herrn Wulff.

Vielen Dank für das Interview!



GiselaLeaks: Populistische Fälle zum Thema "Islam" finden Sie hier.